Nachdem wir im ersten Teil die Ursprünge von Rockstar Games beleuchtet haben – von den Anfängen von DMA Design über die Beteiligung von BMG Interactive bis hin zur Gründung des Rockstar-Labels durch die Brüder Sam und Dan Houser – folgte im zweiten Teil die Fokussierung auf die verschiedenen Spiele Abseits von Grand-Theft-Auto. Dabei standen insbesondere die technologische Entwicklung, das Aufblühen von Rockstar North und der internationale Durchbruch im Mittelpunkt.
Im dritten und letzten Teil werfen wir nun einen Blick auf die zunehmende Internationalisierung von Rockstar Games. Im Zentrum stehen die vielen Niederlassungen, die seit Anfang der 2000er-Jahre gegründet oder übernommen wurden und heute entscheidend an der Entwicklung, Lokalisierung und Pflege von Spielen wie Red Dead Redemption 2 oder GTA Online beteiligt sind. Sie sind das Rückgrat des Studios – technisch, kreativ und organisatorisch.
Der Megahit
Nach Jahren des Wachstums, der Skandale und der stilistischen Experimente sollte sich Rockstar Games ab 2010 neu definieren – nicht durch Veränderung, sondern durch Fokussierung. Die Ära der kreativen Breite wich einer Ära des Feinschliffs. Rockstar veröffentlichte weniger Spiele, doch jedes davon war ein Meilenstein. Das Unternehmen wurde vom rebellischen Innovator zum Maßstab für AAA-Gaming.
Am 17. September 2013 veröffentlichte Rockstar Grand Theft Auto V – und veränderte damit erneut die Spielwelt. Ursprünglich für die PlayStation 3 und Xbox 360 entwickelt, war es bereits zum Release ein technisches Meisterwerk. Die Open World von Los Santos und dem angrenzenden Blaine County war nicht nur riesig, sondern auch so lebendig, detailreich und reaktiv gestaltet wie keine Rockstar-Welt zuvor. Spieler konnten sich erstmals frei zwischen drei Protagonisten bewegen: dem abgehalfterten Ex-Gangster Michael De Santa, dem aufstrebenden Straßengangster Franklin Clinton und dem psychotischen Trevor Philips. Diese narrative Struktur eröffnete völlig neue Erzählmöglichkeiten – sowohl in der Storyführung als auch im Gameplay –, was dem Spiel einen dramaturgischen Tiefgang verlieh, den frühere Teile so nicht boten.
GTA V war mehr als nur ein neues Kapitel in der Erfolgsgeschichte des Studios: Es war ein Meilenstein der modernen Popkultur. Innerhalb von nur drei Tagen generierte das Spiel über eine Milliarde US-Dollar Umsatz – ein bis dato unerreichter Rekord in der Unterhaltungsindustrie, auch außerhalb des Gaming-Sektors. Technisch beeindruckte der Titel mit einer weiterentwickelten Version der hauseigenen RAGE-Engine, dynamischen Wettereffekten, realistischer Physik, beeindruckender Lichtstimmung und einem Radiosoundtrack mit über 240 lizenzierten Songs, die das Lebensgefühl von Südkalifornien perfekt einfingen.
Spannend ist auch der ungewöhnlich lange Lebenszyklus des Spiels: 2014 erschien eine technisch deutlich verbesserte Version für PlayStation 4 und Xbox One, inklusive Ego-Perspektive, höherer Auflösung und dichterem Verkehr. 2015 folgte die PC-Version, die nicht nur Mods ermöglichte, sondern auch im 60fps-Modus samt 4K-Support glänzte. Schließlich erschien GTA V 2022 noch ein drittes Mal für PlayStation 5 und Xbox Series X|S – mit Raytracing, verkürzten Ladezeiten und weiteren grafischen Verbesserungen. Damit ist es das erste Rockstar-Spiel, das auf drei Konsolengenerationen veröffentlicht wurde – ein eindrucksvoller Beweis für seine anhaltende Relevanz.
GTA Online – Das Spiel im Spiel
Doch der wahre Gamechanger kam erst einige Wochen nach dem ursprünglichen Release: GTA Online startete am 1. Oktober 2013 – zunächst holprig, mit Serverproblemen, Bugs und verlorenen Spielfortschritten. Doch was anfangs wie ein experimenteller Multiplayer-Modus wirkte, wurde schnell zu einer digitalen Parallelwelt mit eigenem Ökosystem. Spieler gründeten Gangs, raubten gemeinsam Banken aus, kauften Luxusapartments und Sportwagen oder organisierten illegale Geschäfte. Mit den ersten Heists-Missionen 2015, die intensives Teamplay und strategisches Vorgehen erforderten, begann GTA Online, sich deutlich von typischen Multiplayer-Ablegern anderer Spiele zu unterscheiden.
Rockstar verstand es, die Plattform stetig weiterzuentwickeln: Regelmäßige Updates erweiterten das Spiel um neue Fahrzeuge, Waffen, Immobilien, Rennen, Minigames und sogar riesige Geschäftsimperien, die vom Drogenhandel über Waffenproduktion bis hin zu Nachtclubs und Spielhallen reichten. Dabei wandelte sich GTA Online vom Crime-Sandbox-Spiel zur digitalen Allzweckplattform – mit Inhalten, die von Fast & Furious bis Ocean’s Eleven reichten. Mit dem „Los Santos Tuners„-Update, den „Diamond Casino Heists“ oder dem „Cayo Perico„-DLC, der sogar Solo spielbar war, zeigte Rockstar, dass auch Jahre nach dem Launch noch kreative Ideen umgesetzt wurden.
Finanziell wurde GTA Online zum Rückgrat von Rockstar Games und Mutterkonzern Take-Two Interactive. Über sogenannte „Shark Cards“, virtuelle Währungspakete für Echtgeld, ließ sich der Spielfortschritt beschleunigen – was die Monetarisierung zwar nicht unumstritten machte, dem Unternehmen aber Milliarden einbrachte. Diese Einnahmen machten es Rockstar möglich, neue Projekte langfristig zu planen und gleichzeitig bestehende Inhalte kostenlos weiter zu pflegen.
Darüber hinaus wuchs die Community über sich hinaus. Spieler erschufen aufwendige Inhalte mit dem Editor, entwickelten komplexe Rollenspielserver wie NoPixel, und Streamer auf Twitch und YouTube verwandelten GTA RP in ein eigenes Unterhaltungsgenre. GTA Online wurde nicht nur ein Multiplayer-Spiel – es wurde ein soziales Phänomen, ein digitales Biotop, das Gaming, Streaming, Storytelling und kulturelle Codes miteinander verband. Rockstar hatte das klassische Singleplayer-Spiel in einen persistenten, MMO-artigen Service transformiert – ohne dabei seinen ursprünglichen Charme zu verlieren.
Red Dead Redemption 2 – Kino zum Mitspielen
Nach dem Erfolg von GTA V wagte Rockstar 2018 einen thematischen und stilistischen Wechsel: Mit Red Dead Redemption 2 veröffentlichten sie ein Prequel zu dem 2010 erschienenen Red Dead Redemption, das in der Community längst Kultstatus erreicht hatte. Der erste Teil galt vielen als eines der besten Open-World-Spiele seiner Zeit – mit emotionaler Tiefe, einem unvergesslichen Soundtrack und dem tragischen Protagonisten John Marston. Die Erwartungen an den Nachfolger waren entsprechend hoch.
Doch was Rockstar ablieferte, übertraf selbst die kühnsten Hoffnungen vieler Fans und Kritiker. Red Dead Redemption 2 war mehr als ein Spiel – es war ein Western-Epos in interaktiver Form. Über acht Jahre Entwicklung, über 1.200 Synchronsprecher, akribische Animationen und ein dynamisches Ökosystem machten die Spielwelt lebendig wie nie zuvor. Tiere verhielten sich realistisch, NPCs reagierten glaubhaft auf Zeit, Wetter und die Taten des Spielers. Die Welt von RDR2 war nicht nur Kulisse – sie war Teil der Erzählung.
Im Mittelpunkt stand Arthur Morgan, Mitglied der Van-der-Linde-Gang, dessen moralischer Zwiespalt und innerer Zerfall die Handlung prägten. Selten war ein Charakter in einem Videospiel so vielschichtig, verletzlich und glaubwürdig inszeniert. Die Geschichte thematisierte Loyalität, Schuld, Ideale und das unausweichliche Ende des Outlaw-Zeitalters – mit filmischer Wucht und literarischer Tiefe. Viele verglichen Red Dead Redemption 2 mit Westernklassikern wie Unforgiven, The Assassination of Jesse James oder There Will Be Blood – nicht nur wegen des Settings, sondern auch wegen der erzählerischen Klasse.
Doch während das Hauptspiel weltweit gefeiert wurde, verlief der Start von Red Dead Online eher ernüchternd. Der Online-Modus bot zwar eine stimmige Kulisse und Rollenspielpotenzial, konnte aber nie den gleichen Sog wie GTA Online entwickeln. Viele Mechaniken wirkten unausgereift, der Fortschritt war oft mühselig, und die Inhalte blieben überschaubar. Obwohl es einige vielversprechende Updates wie neue Rollen (z. B. Kopfgeldjäger, Händler oder Naturkundler) gab, stagnierte die Entwicklung zusehends. Bereits 2022 bestätigte Rockstar offiziell, dass man Red Dead Online nicht weiter ausbauen werde – da die Ressourcen in die Zukunft von GTA VI fließen sollten.
Trotzdem bleibt Red Dead Redemption 2 ein Meilenstein in der Geschichte von Rockstar Games – als vielleicht persönlichstes, menschlichstes und künstlerisch ambitioniertestes Projekt des Studios.
Abgänge, Umstrukturierungen und Houser-Exit
Doch hinter den Kulissen veränderte sich Rockstar Games zunehmend – teils schleichend, teils abrupt. Immer wieder tauchten Berichte über „Crunch“-Phasen auf, also extrem lange Arbeitszeiten kurz vor Releases, sowie über toxische Arbeitskulturen, interne Spannungen und autoritäre Führungsstile. Besonders die Gründer Dan und Sam Houser standen in der Kritik – einerseits verehrt als kreative Masterminds, andererseits kritisiert wegen ihrer verschlossenen Kommunikation und dem elitären „Kult um Rockstar“.
2016 verließ mit Leslie Benzies einer der wichtigsten Produzenten der GTA-Reihe das Unternehmen – im Streit, wie sich später herausstellte. Benzies reichte eine Klage gegen Rockstar und Take-Two über rund 150 Millionen US-Dollar ein, wegen angeblich vorenthaltener Gewinnbeteiligungen. Ein tiefer Riss wurde sichtbar, der bisher sorgfältig verborgen geblieben war.
Der eigentliche Paukenschlag folgte 2020: Dan Houser, federführender Autor von GTA, Red Dead Redemption und Bully, verließ Rockstar Games nach einer längeren Auszeit. Für viele Fans und Beobachter ein Schock – denn Houser galt als kreative Schlüsselfigur, dessen Einfluss auf Ton, Storytelling und Charaktere der Spiele nicht zu überschätzen war. Hinter vorgehaltener Hand wurde über Meinungsverschiedenheiten mit dem Mutterkonzern Take-Two, kreative Erschöpfung und einen Wandel der Unternehmenskultur spekuliert.
Rockstar reagierte – intern wie extern. Man kündigte einen kulturellen Neuanfang an: weniger Crunch, mehr Rücksicht auf die Mitarbeiter, stärkere Kommunikation zwischen den Standorten, flachere Hierarchien. Viele dieser Maßnahmen wurden durch die Corona-Pandemie und den Trend zur Remote-Arbeit zusätzlich beschleunigt. Die Frage blieb: Würde Rockstar unter neuer Führung dieselbe kreative Strahlkraft behalten?
Parallel dazu wurde das globale Netzwerk ausgebaut. Neue Studios traten der Familie bei:
Offiziell gegründet im August 2016 in Bangalore, ist das erste Studio des Publishers auf dem indischen Subkontinent. Es entstand in Zusammenarbeit mit dem indischen Outsourcing-Dienstleister Dhruva Interactive (später übernommen von Rockstar) und entwickelte sich schnell zu einem wichtigen Support-Studio, das Assets, QA, Animationen und Tools für diverse Titel liefert – unter anderem für RDR2 und GTA Online.
Die schottischen Entwickler von Ruffian Games wurden 2020 von Rockstar übernommen und nach dem Rebranding als Rockstar Dundee weitergeführt. Zuvor war Ruffian Games unter anderem für Crackdown 2 bekannt. Das Studio erlebte einen bemerkenswerten Wandel: Nachdem es als Rockstar Dundee rebranded wurde, fand es sich erneut im Fokus der Branche, als es an der kontrovers diskutierten GTA: The Trilogy – The Definitive Edition arbeitete. Während das Studio anfangs für die Qualität der Remaster kritisiert wurde, brachte es dieser Schritt langfristig mehr Verantwortung und eine stärkere Position innerhalb des Rockstar-Netzwerks.
Interessant ist, dass Rockstar Games sozusagen „zu seinen Wurzeln zurückkehrte“, da es in Dundee gegründet wurde, was nun durch die Übernahme des neuen Studios im Jahr 2020 zu einer besonderen Rückkehr führte.
New York war bereits seit vielen Jahren Teil des Rockstar-Kosmos, ursprünglich als Verwaltungs- und Publishing-Zweig unter dem Dach von Take-Two Interactive. Im Zuge der umfassenden Umstrukturierungen rund um den Weggang von Dan Houser wurde der Standort jedoch 2020 neu aufgestellt und offiziell unter dem Rockstar-Label konsolidiert. Seitdem fungiert Rockstar New York als strategisches Zentrum für Publishing, Business Development, PR und globale Kommunikationsprozesse – und ist damit weniger für die kreative Entwicklung, sondern vielmehr für die operative Steuerung und Markenpflege innerhalb des Netzwerks verantwortlich.
Rockstar LA
Das Studio in Los Angeles wurde 2023 offiziell Teil des Rockstar-Netzwerks, nachdem das in Los Angeles ansässige Studio Standard Deviation übernommen wurde. Das Team war zuvor als Outsourcing-Partner tätig und unterstützte mehrere Projekte im technischen Bereich sowie bei Animationen. Mit der Integration in das Rockstar-Geflecht wurde das Studio vollständig umbenannt und soll seither gezielt bei Next-Gen-Projekten mitwirken – möglicherweise auch bei den letzten Zügen der Entwicklung von GTA VI.
Besonders bemerkenswert war 2023 die Übernahme von Cfx.re, dem Team hinter FiveM und RedM – zwei der beliebtesten Modding-Frameworks für GTA V und Red Dead Redemption 2. Damit schlug Rockstar erstmals aktiv die Brücke zwischen offizieller Entwicklung und der riesigen Modding-Community. Die Integration zeigt: Rockstar hat verstanden, dass seine Zukunft nicht nur aus Blockbuster-Spielen besteht, sondern auch aus Plattformen, in denen Spieler selbst kreativ werden.
2025 wurde Rockstar Australia gegründet, nachdem das Studio Video Games Deluxe aus Sydney übernommen wurde. Video Games Deluxe war bereits durch seine enge Zusammenarbeit mit Rockstar bekannt, insbesondere durch die Entwicklung der VR-Version von L.A. Noire. Das Team bestand größtenteils aus ehemaligen Mitarbeitenden von Team Bondi, dem Studio hinter L.A. Noire. Mit der Übernahme durch Rockstar wird das Studio vor allem in den Bereichen VR, neue Technologien und Echtzeit-Rendering weiter expandieren.
Der lange Schatten von GTA VI
Seit 2014 war bekannt, dass ein neues Grand Theft Auto in Arbeit war, doch die Entwickler hielten sich mit Details zurück. Rockstar Games, bekannt für seine Geheimhaltung und die Entwicklung mit höchster Präzision, ließ die Fans über Jahre hinweg in Ungewissheit. Während sich die Community mit Gerüchten und Spekulationen begnügen musste, blieb die offizielle Kommunikation spärlich. Doch der wahre Hype begann 2022 – mit einem der größten Leaks in der Geschichte der Videospiele. Dutzende von Clips, Screenshots und internen Dateien zu GTA VI tauchten online auf und sorgten weltweit für Aufsehen. Rockstar reagierte schnell und bestätigte die Echtheit des Leaks, betonte jedoch, dass dies keinen Einfluss auf den Zeitplan des Spiels haben würde.
Trotz der unfreiwilligen Offenbarung waren die Fans weiterhin gespannt. Im Dezember 2023, Jahre nach den ersten Gerüchten und Leaks, veröffentlichte Rockstar endlich den ersten offiziellen Trailer zu GTA VI. Der Trailer zeigte eine Rückkehr nach Vice City – der fiktiven, von Miami inspirierten Metropole, die bereits in GTA: Vice City von 2002 die Bühne für zahlreiche Geschichten und kultige Charaktere bot. Diesmal jedoch mit moderner Technologie und einer grafischen Brillanz, die das Franchise auf ein neues Level hebt. Die neuen Protagonisten, ein dynamisches Duo aus männlichem und weiblichem Charakter, versprechen eine frische Perspektive auf das Spiel, während die satirische Auseinandersetzung mit modernen sozialen Medien und die Darstellung des amerikanischen Traums in einer zunehmend digitalen Welt erneut die Finger auf die Wunden der Gesellschaft legen werden.
Die Entwicklung von GTA VI hat das Potenzial, nicht nur den Rekord des Vorgängers zu brechen, sondern die gesamte Branche zu revolutionieren. Die Spielwelt von GTA VI wird, so viel ist bereits bekannt, immens und dynamisch, mit einer Detailtreue, die dem Spieler das Gefühl gibt, wirklich in Vice City und der umliegenden Region zu leben.
Der Release ist mittlerweile offiziell für den 26. Mai 2026 angesetzt – ein Datum, das schon jetzt in den Kalendern der Gaming-Community und der Industrie markiert ist. Mit GTA VI dürfte Rockstar Games nicht nur erneut Maßstäbe für Open-World-Spiele setzen, sondern auch die Geschichte des Mediums in eine neue Ära führen.