Wenn Naturkatastrophen die Welt verwüsten, packen wir die Schaufel aus – oder besser gesagt: den Kran, den Bulldozer und den tonnenschweren Asphaltfertiger. RoadCraft, entwickelt von Saber Interactive und veröffentlicht von Focus Entertainment, setzt genau da an, wo andere Spiele enden würden: im Chaos. Statt zu überleben oder zu flüchten, krempeln wir in dieser Bausimulation die Ärmel hoch und machen uns daran, die Infrastruktur wiederherzustellen. Als inoffizieller Ableger der SnowRunner– und MudRunner-Reihe erweitert RoadCraft deren Sandbox-Prinzip um neue Werkzeuge, Aufgaben und eine Prise Aufräum-Idylle – mit all ihren Stärken und Schwächen. In unserem ausführlichen Test haben wir uns durch Geröllfelder geschoben, Brücken gebaut und ganze Straßennetze neu verlegt.
Trümmerwelt
RoadCraft verzichtet bewusst auf eine klassische Story mit Charakteren oder Zwischensequenzen. Stattdessen dient ein einfaches, aber effektives Setting als Grundlage für unsere Einsätze: Naturkatastrophen haben ganze Regionen verwüstet, von Überflutungen über Erdbeben bis hin zu Orkanen. Unsere Aufgabe als spezialisierte Wiederaufbau-Firma ist es, das Gelände befahrbar zu machen, Versorgungsrouten zu sichern und Stück für Stück funktionierende Infrastruktur zurückzubringen.
Der Einstieg erfolgt angenehm locker mit einem kleinen Geländewagen der Scout-Klasse, während sich der volle Umfang erst nach und nach offenbart: Fahrzeuge wollen entdeckt und aufgerüstet werden, Straßen müssen vollständig neu gebaut oder improvisiert über unwegsames Gelände gelegt werden. Mit jeder Mission wächst nicht nur der Fuhrpark, sondern auch die Vielfalt der Aufgaben – von simplen Aufräumarbeiten bis zum komplexen Aufbau ganzer Transportketten.
Klassische Questgeber oder Dialoge fehlen, stattdessen dienen die Karten selbst als Erzähler. Über verfallene Brücken, zerstörte Industrieanlagen oder notdürftig befestigte Schotterpisten entfaltet sich ein Szenario, das trotz seiner nüchternen Aufmachung Atmosphäre erzeugt – vor allem, weil wir selbst der Motor des Wiederaufbaus sind.
Maschinen-Mikado
Wer RoadCraft spielt, muss Geduld mitbringen – aber wird belohnt mit einer ungeahnt meditativen Spielerfahrung. Jede Mission ist eine kleine Herausforderung im Bereich Logistik, Navigation und Maschineneinsatz. Der Ablauf variiert je nach Aufgabe: Mal müssen wir verschüttete Straßen freiräumen, mal Leitungen ersetzen oder ganze Brücken neu aufbauen.
Der Bauprozess von Straßen etwa folgt einem festgelegten Vier-Schritte-System: Zuerst verteilt ein Kipplaster Sand, den wir anschließend mit dem Bulldozer glattziehen. Danach kommt der Straßenfertiger zum Einsatz, bevor der Dampfwalzen-Koloss die Strecke finalisiert. Jeder dieser Schritte verlangt nach einem anderen Fahrzeug, das wiederum mit dem passenden Tieflader an Ort und Stelle transportiert werden muss – eine Kette aus Planung und Präzision.
Neben klassischen Aufgaben wie Brückenbau und Schuttbeseitigung bringt das Spiel auch kreative Szenarien: etwa das Planen und Absichern automatischer Versorgungsrouten. Diese verlangen nicht nur fahrbare Strecken, sondern oft auch Improvisation – ein geschickt platzierter Sandhügel oder eine Brücke aus Betonplatten kann den Unterschied zwischen Erfolg und Totalschaden ausmachen.
Allerdings gibt es auch Schattenseiten: Während die Terrain-Physik und Interaktivität mit der Umwelt durchaus gelungen sind, wirkt das Fahrverhalten der Fahrzeuge stellenweise zu künstlich. Gasgeben und Lenken funktionieren beinahe digital – feine Abstufungen oder manuelle Eingriffe wie Gangwechsel, Licht oder Scheibenwischer fehlen komplett. Auch spielt es spielmechanisch kaum eine Rolle, ob Ladung korrekt gesichert ist oder nicht.
Trotzdem: Wer sich mit dem gemächlichen Tempo anfreundet, entdeckt in RoadCraft eine Art Zen-Gefühl. Der Matsch bremst uns zwar aus, aber genau das macht den Reiz aus.
Schöner Schutt
Optisch positioniert sich RoadCraft irgendwo zwischen bodenständiger Simulation und anschaulicher Umgebungsdarstellung. Die Karten bieten angenehm weitläufige Areale mit stimmigen Biomen: von aufgeweichten Sumpfgebieten über zerklüftete Felslandschaften bis hin zu halbzerstörten Industriearealen. Auch der Detailgrad überzeugt – zumindest bei den Maschinen. Diese wurden liebevoll modelliert, samt beweglicher Hydraulik, funktionalen Kränen und klar erkennbarer Mechanik.
Weniger überzeugend sind dagegen manche Animationen und kleinere technische Details. Fahrzeuge wirken beim Fahren teils steif, und das Schadensmodell wurde komplett gestrichen. Wer also mit 20 Tonnen gegen eine Wand fährt, muss sich keine Sorgen um Reparaturkosten machen – was zwar komfortabel ist, aber der Immersion schadet.
Der Witterungswechsel, wechselnde Tageszeiten oder zerstörte Szenerien sorgen dennoch für eine abwechslungsreiche Spielwelt. Besonders die Übergänge zwischen natürlicher Umgebung und von uns wiederhergestellter Infrastruktur erzeugen einen glaubwürdigen Fortschrittsmoment.
Maschinen-Melodie
Der Soundtrack hält sich wie vieles in RoadCraft angenehm zurück. Musik dient eher der Untermalung als der emotionalen Führung – passend zum zurückhaltenden Charakter des Spiels. Dezente Ambient-Stücke begleiten uns durch das Spiel, ohne jemals aufdringlich zu werden.
Dafür punkten die Soundeffekte: Das Brummen der Motoren, das Zischen der Hydraulik oder das dumpfe Rollen der Dampfwalze auf frischem Asphalt sind gut umgesetzt und vermitteln ein authentisches Gefühl von Masse und Bewegung. Wer gerne den Klang schwerer Maschinen genießt, wird hier fündig.
Sprachausgabe gibt es nicht, was angesichts der erzählarmen Präsentation nicht weiter stört. Atmosphäre entsteht in RoadCraft weniger durch Dialoge, sondern durch das Gefühl, mit harter Arbeit sichtbare Fortschritte zu erzielen. Das funktioniert erstaunlich gut – zumindest, solange man nicht auf cineastische Inszenierung hofft.