Ich habe es geahnt, aber nicht geglaubt. Europa Universalis 5 ist kein Spiel, das man einfach startet, es ist ein Spiel, das einen verschlingt, einen erschlägt, einen an seinen strategischen Verständnis und Können zweifeln lässt. Nach hunderten Stunden in Europa Universalis 4 dachten ich, ich wäre bereit, die Welt erneut zu erobern. Doch schon nach den ersten Stunden fühlte sich alles an, als hätte jemand das Fundament unseres strategischen Verständnisses eingerissen. EU5 ist nicht einfach komplex, es ist eine Mauer aus Zahlen, Menüs und Systemen, die uns immer wieder in den Boden drückt.
An den Ambitionen mangelt es nicht. Über 30.000 Orte, rund 2.000 spielbare Nationen, zahllose Kulturen und Religionen, allein diese Dimensionen sprengen jede Vorstellung. Paradox Tinto, der Entwickler hinter EU5, hat hier eine Welt geschaffen, die in ihrer Detailtiefe beispiellos ist. Jeder Kontinent atmet Geschichte, jede Entscheidung wirkt nach, jedes Menü ist ein eigener Studiengang. Und genau hier beginnt das Problem: Europa Universalis 5 will alles und bekommt uns als Spieler dabei kaum zu fassen.
Wenn ich das Spiel beende, fühle ich mich nicht erfüllt oder neugierig auf den nächsten Versuch, sondern erleichtert. Erleichtert, diesen gigantischen Klotz aus Mechaniken, Zahlen und Verantwortung für einen Moment von meinen Schultern zu werfen. Es ist fast befreiend, das Menü zu schließen, tief durchzuatmen und sich anschließend einem Spiel zu widmen, das einfach nur unterhält, das einfach nicht EU5 ist.
Die Rückkehr in eine fremde Welt
Was mich anfangs an EU4 so faszinierte, war die Lernkurve. Sie war steil, ja, aber nachvollziehbar. Schritt für Schritt wuchs man hinein, verstand Zusammenhänge, konnte vom Scheitern lernen. EU5 hingegen fühlt sich an wie ein Neustart in einer völlig anderen Sprache. Als würde man, in bester 7 vs. Wild-Manier, irgendwo ausgesetzt werden, mit der einzigen Bedingung, fortan Mandarin lesen, schreiben und sprechen zu müssen, obwohl man die Sprache nie gelernt hat. Das neue Interface ist moderner, aber überladen. Die Tooltips sind stapelbar, die Suchfunktionen mächtig und doch findet man selten das, was man wirklich braucht. Jede Mechanik greift in fünf andere ein, und ein falscher Klick kann jahrzehntelange Entwicklungen ruinieren.
Selbst das Tutorial hilft kaum weiter. Es erklärt was man tun kann, aber nicht warum. Und ohne dieses „Warum“ verliert man sich schnell in einem Strudel aus Symbolen, Icons und Parametern, die alle wichtig klingen, aber kaum greifbar sind. Ich habe Stunden damit verbracht, zu verstehen, warum unsere Provinzen rebellieren, warum unser Geld verschwindet oder warum unsere Kabinettsmitglieder nichts voranbringen und am Ende blieb das Gefühl, gegen ein System zu kämpfen, das uns nichts erklären will.
Das große neue Feature, die Automatisierung, sollte genau dieses Problem lösen. Wirtschaft, Militär oder Diplomatie lassen sich an die KI delegieren, theoretisch eine große Hilfe für Einsteiger. In der Praxis aber ist die KI eher ein Mitspieler mit eigener Agenda. Sie hebt Truppen aus, wenn man sie nicht braucht, und lässt sie untätig stehen, wenn man sie dringend braucht. Sie investiert Ressourcen in Projekte, die niemand bestellt hat, und ignoriert gleichzeitig die Missionen, die eigentlich den Fortschritt vorgeben. Was als Hilfestellung gedacht war, entpuppt sich als weiteres System, das man verstehen, kontrollieren und korrigieren muss. So bleibt am Ende der Eindruck: Europa Universalis 5 automatisiert nichts, es multipliziert nur die Arbeit.
Ein Ökosystem aus Politik, Diplomatie und die Unfassbarkeit von Entscheidungen
Doch man kann Paradox nicht vorwerfen, es an Tiefe fehlen zu lassen. Die wirtschaftlichen Mechaniken, die neu gestalteten Märkte und die Produktionsketten sind beeindruckend. Jede Ressource, jede Stadt, jeder Markt folgt einer eigenen Logik. In der Theorie ergibt das ein lebendiges, dynamisches System, in der Praxis aber schnell eine Überforderung. Wir wollten ein Imperium führen und fanden uns stattdessen in einer Excel-Tabelle wieder, die sich ständig selbst aktualisiert.
Wer sich die Zeit nimmt, kann in EU5 eine faszinierende Welt entdecken: Bevölkerung („Pops“), Religionen, Kulturgruppen, politische Stände, alles greift ineinander und schafft ein komplexes, historisch inspiriertes Netz. Aber man muss es wollen. Und man muss vor allem die Geduld mitbringen, Fehler zu akzeptieren, die man erst nach 200 Ingame-Jahren versteht.
Im diplomatischen Teil hat Europa Universalis 5 viel Potenzial, das aber oft ungenutzt bleibt. Unser Kabinett verwaltet Glauben, Kultur und Einfluss, während Diplomaten Beziehungen verbessern, Handelsrechte sichern oder Spionagenetzwerke aufbauen. Doch oft bleibt unklar, warum manche Aktionen möglich sind und andere nicht. Ein fehlender Tooltip, ein nicht sichtbarer Wert, eine Mechanik, die erst viel später greift und schon scheitert eine ganze Strategie.
Besonders deutlich hat sich dies bei mir beim Militär gezeigt: Man möchte eine Armee aufstellen, doch dafür braucht es bestimmte Gebäude wie eine Serjeantry oder Waffenkammer. Will man diese errichten, stellt man fest, dass das Spiel dies schlicht nicht zulässt, im Gebäudemenu, ohne zu erklären, warum. Keine Angabe, welche Voraussetzungen fehlen, keine Hinweise, wie man sie freischaltet. So sitzt man ratlos vor der Karte, während der Gegner längst seine Truppen aushebt und einen überrollt. Es ist ein frustrierender Moment, weil man spürt, dass man scheitert, nicht an der Strategie, sondern an der Informationspolitik des Spiels. EU5 kommuniziert richtig schlecht. Es informiert, aber erklärt nicht. Und das ist fatal in einem Spiel, das auf langfristige Planung basiert.
Eine Welt zum Studieren, nicht zum Spielen
Europa Universalis 5 verlangt eine andere Art von Aufmerksamkeit. Es ist kein Spiel, das man „spielt“, es ist ein Spiel, das man studiert. Jeder Fortschritt ist mühsam erarbeitet, jeder Erfolg ein seltenes Erfolgserlebnis. Wenn dann tatsächlich eine Mission abgeschlossen, eine Provinz befriedet oder eine Handelsroute stabil läuft, ist die Freude ehrlich. Aber der Weg dorthin ist steinig, zu steinig für viele.
Ich wollte doch einfach nur eintauchen, Länder formen, Geschichte schreiben. Stattdessen saß ich vor einer Lawine aus Variablen, die mehr Respekt als Freude abverlangten. EU5 ist ein Koloss, beeindruckend, faszinierend, aber auch gnadenlos.
Technik und Atmosphäre
Optisch und akustisch ist Europa Universalis 5 ein klarer Fortschritt. Die Weltkarte wirkt lebendiger, die Städte feiner modelliert, die Musik gewohnt großartig. Kleine Animationen und Artworks sorgen für Atmosphäre, auch wenn die meiste Zeit weiterhin in Menüs verbracht wird. Technisch läuft das Spiel stabil, abgesehen von kleineren Bugs oder Logikfehlern in der KI. Und trotzdem fühlt sich alles etwas steril an, funktional, aber distanziert.
The Review
Europa Universalis V (PC)
Europa Universalis 5 ist kein schlechtes Spiel. Im Gegenteil: Es ist wahrscheinlich das ambitionierteste, komplexeste Grand-Strategy-Spiel, das je entwickelt wurde. Aber es ist auch eines, das fast niemandem entgegenkommt. Selbst erfahrene Paradox-Spieler müssen umlernen, Geduld aufbringen und Frust aushalten. Ich respektiere die Tiefe, die Ideen und die Liebe zum Detail. Doch EU5 ist ein Spiel, das mich besiegt hat. Es ist zu groß, zu komplex, zu undurchsichtig und das sage ich als jemand, der EU4 geliebt hat. Vielleicht ist das Spiel nicht zu schwer, sondern ich einfach zu schwach. Vielleicht ist es auch einfach nur ehrlich in seiner Komplexität. Aber eines ist sicher: Europa Universalis 5 ist kein Spiel, das man spielt, um zu entspannen. Es ist ein Spiel, das einen prüft, das man studieren muss und manchmal zerbricht man auch daran.
PROS
- Enormer Umfang mit über 2.000 spielbaren Nationen und unzähligen Mechaniken
- Beeindruckende historische Tiefe und Detailverliebtheit
- Neue Systeme wie Kontrolle, Bevölkerung (Pops) und dynamische Märkte
- Automatisierung kann den Einstieg in Teilbereichen erleichtern
- Optisch und akustisch ein klarer Fortschritt
CONS
- Extrem hohe Einstiegshürde
- Informationsflut: Menüs, Tooltips und Systeme erschlagen förmlich
- Fehlende Transparenz bei vielen Spielmechaniken
- Strategien scheitern oft an mangelnder Rückmeldung des Spiels
- UI überladen und unübersichtlich

