Wer sich an die goldene Need-for-Speed-Ära der 2000er erinnert, denkt vermutlich an wilde Drifts, röhrende Motoren und nächtliche Rennen mit Synthbeats und Eurodance-Hymnen im Hintergrund. Genau Need for Speed Underground 2 war der Primus in diesem Genre. JDM: Japanese Drift Master vom polnischen Entwickler Gaming Factory greift genau dieses Gefühl auf – und geht noch einen Schritt weiter. Statt nur ein weiteres Arcade-Rennspiel zu liefern, will JDM eine tiefgehende Liebeserklärung an die japanische Tuning- und Driftkultur sein. Mit einem offenen Spielkonzept, Manga-inspirierter Erzählweise, lizenzierter Fahrzeugauswahl und hohem Simulationsanspruch zielt das Spiel auf Enthusiasten und Kenner der Szene ab. Doch ist der Titel auch mehr als ein leidenschaftliches Projekt mit guten Ansätzen? Wir haben uns durch den Qualm der Reifen gekämpft und unsere Eindrücke in vier Kategorien unterteilt.
Die Welt des Driftens
JDM: Japanese Drift Master bietet mehr als bloß ein Rennerlebnis – es versucht, eine vollständige Drift-Erzählung zu vermitteln. Im Zentrum steht ein Außenseiter, der in einer abgeschlossenen japanischen Vorstadt auf seine ganz eigene Art Fuß fassen will. Die Handlung wird in Anime-Comic-Panels erzählt und verwebt dabei Themen wie eine angeschlagene Sushi-Lieferfirma, mysteriöse Vergangenheiten und das Streben nach Anerkennung in einer eingeschworenen Tuning-Community. Die Geschichte bleibt dabei oberflächlich genug, um Spoiler zu vermeiden, aber charmant genug, um Interesse zu wecken.
Das Spiel ist in fünf Kapitel unterteilt, die eine Mischung aus Storymissionen, Nebenquests und optionalen Aktivitäten enthalten. Die Missionen reichen von klassischen Drift-Duellen über skurrile Aufträge wie Influencer-Aufnahmen bis hin zu „Crazy Taxi“-ähnlichen Lieferfahrten – stets mit Stil- und Driftwertung im Fokus.
Besonders hervorzuheben ist die Liebe zum Detail in der Darstellung der japanischen Driftkultur: Dialoge, Ladebildschirme und Trainingsmissionen sind gespickt mit Infos zu Tuning-Geschichte, Techniken und bekannten japanischen Fahrzeugmodellen. Es entsteht das Gefühl, ein spielbares Kompendium der Touge- und Tuning-Szene zu erleben.
Griff oder Drift?
Im Zentrum von JDM steht der Drift – und das Spiel verlangt von uns, ihn zu beherrschen. Mit zwei Fahrmodi – „Simcade“ und „Arcade“ – bietet der Titel einerseits eine halbwegs realistische Simulation, andererseits zugängliche Arcade-Steuerung. Während letztere recht gelungen ist und das Driften intuitiv und befriedigend macht, wirkt der Simcade-Modus unausgereift. Lenkverhalten, Traktion und Drift-Einleitung fühlen sich dort schwerfällig und unintuitiv an, was für Frust sorgen kann.
Besonders bei Rennen abseits des Driftens – etwa Drag- oder Grip-Events – zeigt sich, dass das Spiel mit normalem Fahrverhalten Schwierigkeiten hat. Die Strecken sind eng, das Handling schwerfällig, und das Gefühl, ein Rennspiel statt einer Drift-Simulation zu spielen, kommt selten auf.
Dennoch punktet das Spiel durch Tiefe im Tuning: Radsturz, Spur, Getriebeübersetzung und andere Parameter lassen sich individuell einstellen – ideal für Enthusiasten mit technischem Know-how. Auch das Clutch-Kicking ist implementiert und verleiht dem Drift zusätzliche Kontrolle. Wer allerdings keine Erfahrung mit Rennspielen mitbringt, wird von der fehlenden Hilfestellung schnell überfordert sein.
Abseits der Story gibt es wenige Aktivitäten. Zwar existieren Speed-Traps und Herausforderungen, doch das freie Erkunden der Welt wird durch unzerstörbare Objekte, blockierte Wege und ein unzuverlässiges Navigationssystem ausgebremst. Das Open-World-Feeling bleibt somit eingeschränkt.
Zwischen Manga-Panels und Motion Blur
Optisch liefert JDM einen eigenständigen, aber nicht fehlerfreien Stil. Die japanische Kleinstadt mit ihren engen Gassen, kurvigen Bergpässen und Neonlichtern ist stimmig umgesetzt. Besonders bei Nacht oder im Nebel entsteht eine authentische Atmosphäre. Die Comic-Panels im Manga-Stil verleihen dem Spiel zusätzlichen Charme und erzählen die Geschichte mit einem Augenzwinkern.
Trotzdem leidet die Präsentation unter technischen Mängeln: Lange Ladezeiten beim Wechsel zwischen Missionen, stockende Übergänge, UI-Verzögerungen und schwankende Framerates – selbst auf potenter Hardware – trüben den Gesamteindruck. Auch die Minimap ist stellenweise unbrauchbar, da Marker mit dem Kartenhintergrund verschwimmen oder Wegführungen gar nicht erst angezeigt werden.
Kleine Präsentationsdetails wie die „Erregungsanzeige“ einer weiblichen Nebenfigur beim erfolgreichen Driften geraten ins Klischeehafte und wirken deplatziert. Hier hätte mehr Zurückhaltung dem ansonsten liebevoll designten Spiel besser gestanden.
Turbo auf die Ohren – Soundtrack und Akustik
Akustisch lässt JDM nichts anbrennen. Der Soundtrack ist stark an das kultige „Eurobeat“-Feeling angelehnt und ruft sofort Assoziationen zu Initial D oder alten Arcade-Automaten hervor. Die Musik unterstützt das Spielgeschehen ideal, besonders während der Drifts, wenn der Bass knallt und die Motoren heulen.
Auch die Soundkulisse der Fahrzeuge ist solide: das Kreischen der Reifen, das Röhren der Motoren und das charakteristische Knallen beim Schalten oder Clutch-Kick sorgen für Authentizität. Was fehlt, ist eine dynamischere Anpassung an das Spielgeschehen – etwa bei ruhigen Momenten in der Open World oder bei Missionsauswertungen.
Dialoge werden nicht vertont, sondern ausschließlich über Text und Panels dargestellt – eine nachvollziehbare Entscheidung bei einem Indie-Titel, die jedoch die Immersion etwas schmälert. Auch hier zeigt sich: mehr Ambition als Budget.