Die Need for Speed-Reihe gehört seit jeher zu den Silberrücken der Rennspiele. Nach NfS Rivals legte man bei EA ein Jahr Kreativpause ein um jetzt voll durchzustarten. Leider hat man sich jedoch beim Beschleunigen kräftig verschaltet…
Eigentlich haben Need for Speed und ich uns immer ganz vorzüglich verstanden. Mein erster Serienteil hörte auf den Namen Need for Speed 2 SE und ich liebte ihn heiß und innig. Noch heute sagt eine kleine Stimme in meinem Kopf „Der FZR 2000 gewinnt!“ wenn ich mit unserem VW Fox unter Zuhilfenahme des Rückenwindes und Gefälles auf der Autobahn einen LKW nach allen Regeln der Kunst vernasche. Hot Pursuit und der erste Underground-Teil? Immer her damit!
Damit war mein Verlangen aber auch erst einmal gestillt und ich brauchte eine Pause von der Serie. 2014 ging es auf der anderen Seite Need for Speed wohl genauso. Nach NfS Rivals ließ man die jährlichen Neuerscheinungen sein und fokussierte die Energien auf den nun erschienenen Teil, der einfach nur Need for Speed heißt. Und was soll ich sagen? Das war leider nix.
Dass die Story niemanden vom Hocker haut – geschenkt. Ein junges Rennfahrertalent kommt frisch in die Stadt und steigt zum Messias der Motorenjunkies auf. Alles klar, schon 100 Mal gesehen aber offensichtlich wollte man unbedingt ein Rennspiel mit Handlung an den Start bringen, sich aber gleichzeitig die Drehbuchautoren sparen. Geht in Ordnung.
Erzählt wird die Geschichte in Realfilmsequenzen, also mit echten Schauspielern, die den Beweis antreten wollen, dass diese Filmschnipsel in Spielen nicht immer trashig wirken müssen. Sie scheitern damit auf ganzer Linie. Das Ensemble wird vom absolut bescheuerten Skript aber mal sowas von im Regen stehen gelassen, dass man kaum fassen kann, was man da sieht. Wir haben den hyperaktiven Comic relief (nicht dass es einen gebraucht hätte), das kaugummikauende, tätowierte Girl, das sich mit Tuning auskennt und den coolen Afroamerikaner. Fehlt noch wer? Achja, die Blondine, auf die wir scharf sind. Das Ganze ist wirklich über alle Maßen albern, aber irgendwie stehe ich ja auf Trash und ein bisschen will ich ja schon wissen, ob die Blonde noch die Hüllen fallen lässt…
…leider meldet sich die Crew nicht nur in den Zwischensequenzen. Wenn wir mit unserem Boliden in der Stadt unterwegs sind, klingelt wirklich an-dau-ernd das Handy und einer von den Klappskallis meldet sich bei uns und quatscht uns auf die Mailbox falls wir nicht antworten. Aber nur so erhalten wir die Einladungen zu neuen Events und die brauchen wir – schließlich sind wir eigentlich hier zum Autofahren!
Jetzt könntet ihr beim Lesen vielleicht denken: „Was meckert der Typ denn da am schmückenden Beiwerk herum? Entscheidend ist ja wohl das Fahrwerk! Das was auf der Strecke passiert!“ Damit habt ihr Recht. Leider löst das Geschehen auf der Piste auch keine Begeisterungsstürme aus.
Das beginnt schon bei der KI der Kontrahenten. Schon immer war bei Need for Speed ein sogenannter Gummibandeffekt zu spüren. Im aktuellen Teil kommt man sich aber tatsächlich absolut verschaukelt vor. Manchmal fliegen die anderen Boliden nur so an uns vorbei, nur um im Anschluss auf gerader Strecke beinahe zum Stillstand zu kommen, sodass wir wieder vorbeiziehen können. Irgendwann kommt man nicht mehr umhin, in den Rückspiegel zu schauen um nachzusehen, ob dem anderen Fahrer etwa gerade der Kaffee in den Schoß gefallen ist. Denn anders sind diese Armutszeugnisse der KI kaum zu erklären. So kommen wir uns bei manchem Sieg so vor als hätten wir nur durch Schummelei gewonnen und nicht weil wir fahren können wie ein junger Walter Röhrl.
Andererseits sind diese Tricksereien auch notwendig, denn die Computerfahrer zeigen unter Beobachtung teilweise haarsträubende Fahrfehler, die ihnen das Rennen kosten müssten – würden sie nicht per Gummiband wieder direkt an unseren Auspuff gezogen.
Vielleicht ist aus diesem Grund der Anteil an Rennen, die wir gegen andere Autos bestreiten gesunken. Gefühlt treten wir häufiger als sonst gegen einen Highscore oder gegen die Uhr an als in bisherigen Teilen.
So oder so, aufs richtige Auto kommt es an! Zwar ist die Konkurrenz (Forza, Driveclub) hier besser bestückt als Need for Speed mit seinen 51 Autos, aber dennoch kommt hier wirklich Freude auf. Small Budget Autos wie ein Golf 1 sind ebenso dabei wie ein Mercedes AMG oder der klassische 911er. Und für mich als alten Fan der Serie sind mit dem Ferrari F40 und dem Lamborghini Diablo zwei der Wagen dabei, die diese Serie einst groß gemacht haben. Sehr gut! Die Tuning-Möglichkeiten sind dafür überschaubar. Es reicht leider völlig den Wagen mit allen leistungssteigernden Teilen vollzupumpen, die man angeboten bekommt. Wir erwarten hier natürlich kein Gran Turismo aber wenn ich schon in die Haut eines Mechaniker-Genies schlüpfe, wäre es doch auch klasse wenn ich die Rolle auch ein bisschen ausfüllen könnte und nicht blindlings alle Teile einbaue, die in der Werkstatt herumliegen.
Meine persönlichen Präferenzen kann ich jedoch an anderer Stelle ausleben – nämlich beim Fahrwerk. Hier lassen sich Reifendruck und Lenkung separat auf meine Bedürfnisse abstimmen oder ich überlasse die Feinabstimmung dem Spiel und setze mit einem Schieberegler ein Niveau zwischen den beiden Polen „Drift“ und „Grip“ fest. Gute Idee soweit! Ein realistisches Fahrgefühl bekommen wir jedoch weder hüben noch drüben. Need for Speed will ja auch gar keine Fahrsimulation sein. Aber das Feeling eines spaßigen Arcaderacers trifft man bei Ghost Games leider auch nicht, sodass es einige Zeit braucht sich an das eigenwillige Fahrgefühl zu gewöhnen.
Dass wir außerhalb der Rennen nicht oft durch die Stadt gefahren sind liegt jedoch auch zu einem großen Teil an der Spielewelt. Man entschied sich, Ventura Bay frei befahrbar zu machen, liefert jedoch nicht genügend Anreiz dazu. Es gibt kaum etwas zu sehen oder zu tun und der Tageszeitwandel umspannt nur Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Die meiste Zeit fahren wir also des Nachts in der Stadt herum, die schon für sich genommen zu wenig Abwechslung bietet. Gerade wenn man zuvor The Crew mit den frei befahrbaren Vereinigten Staaten gespielt hat, kommt hier schnell Monotonie auf. Ich bin in einem Rennspiel völlig einverstanden damit, wenn ich zwischen den einzelnen Strecken nicht hin und her pendeln kann wenn diese dafür dann abwechslungsreich sind. Oder ich schaffe eine Stadt mit solch einer Lebendigkeit, dass es mir Spaß macht sie nebenbei zu erkunden. So hat man sich für den grauen Mittelweg entschieden.
Was man Need for Speed jedoch lassen muss ist, dass aus dem nächtlichen Setting einiges gemacht wird. Der häufige Regen begünstigt tolle Spiegelungen auf der Straße und die Lichteffekte sehen klasse aus. Auf der Xbox One müssen wir diese jedoch mit teilweise sehr störenden Rucklern bezahlen.