Wie fühlt es sich an, ein Leben auf See zu führen – zwischen Routine, Wellengang und der unendlichen Weite des Ozeans? Genau diese Frage stellt sich Seafarer: The Ship Sim, die neue Schiffs-Simulation von Astragon Entertainment und Astragon Development, die sich aktuell noch in der Early-Access-Phase befindet. Und wie es bei Spielen im Early Access üblich ist: Das fertige Ziel liegt noch in einiger Entfernung. Der vollständige Release ist erst für 2026 geplant, und bis dahin dürfte sich auf Deck noch einiges verändern.
Wir haben uns trotzdem schon jetzt an Bord gewagt, um herauszufinden, ob Astragons maritime Simulation bereits Kurs auf große Gewässer nimmt oder ob das Schiff derzeit noch in der Werft feststeckt.
Auf hoher See
Schon beim Start wird klar: Seafarer: The Ship Sim will keine trockene Berufssimulation sein, sondern eine zugängliche, atmosphärische Erfahrung rund um zivile Schifffahrt. Wir übernehmen die Rolle eines selbst erstellten Kapitäns, der nach einer Pause ins maritime Geschäft zurückkehrt, begleitet von einem charmant-nervigen Freund namens Teddy, der uns auf den ersten Fahrten zur Seite steht. Die Geschichte bleibt angenehm zurückhaltend und überfrachtet den Simulator nicht mit übertriebenen Storyelementen. Trotzdem sorgt sie für mehr Leben und Identität, als man es von einem klassischen Genrevertreter erwarten würde.
In der aktuellen Early-Access-Version stehen uns zwei Fraktionen zur Verfügung:
- Crescentport Logistics, spezialisiert auf Transport- und Frachtmissionen
- Tide Guard, zuständig für Küstenwache, Polizei- und Feuerwehreinsätze
Beide Organisationen bieten unterschiedliche Spielweisen, Missionen und Schiffe. Insgesamt sind sechs Schiffe spielbar, von kleinen Patrouillenbooten über Hafenschlepper bis hin zu einem mittleren Containerschiff. Neue Modelle, Ausrüstungen und Crewmitglieder schalten wir nach und nach frei, indem wir Missionen erfolgreich abschließen und Credits verdienen. Weiter Schiffe, wie zum Beispiel ein großer Container Schiff oder ein LNG Tanker und weitere, sollen zudem noch in der Early Access Phase erscheinen.
Die Spielwelt selbst ist bereits jetzt überraschend groß. Neun fiktive Häfen, inspiriert von den Landschaften Nordeuropas, bilden die Grundlage für unsere Karriere. Fiktive Orte wie Pünteoog oder Fort Westport vermitteln einen glaubwürdigen Küstencharme, auch wenn viele Gebiete auf der Karte noch gesperrt sind. Laut Roadmap sollen in Zukunft weitere Regionen wie eisbedeckte Küstenabschnitte im Norden oder Fjordlandschaften im Südosten hinzukommen.
Noch ist die Kampagne mit nur zwei Missionen recht überschaubar, später sollen es zehn werden. Trotzdem lässt sich das Potenzial bereits erkennen, die Story verleiht der Welt eine gewisse Struktur und vermittelt das Gefühl, Teil einer größeren Seefahrergemeinschaft zu sein.
Zwischen Routine und Wellengang
Spielerisch bewegt sich Seafarer: The Ship Sim irgendwo zwischen entspannender Routine und technischer Herausforderung. Wer bereits Astragons Construction Simulator oder Police Simulator gespielt hat, wird sich sofort zurechtfinden. Das Grundprinzip ist vertraut: Missionen annehmen, Aufträge ausführen, Geld verdienen, Schiffe und Upgrades freischalten.
Das Gameplay ist angenehm entschleunigt. Wir verladen Container, sichern sie an Deck, korrigieren den Kurs gegen Wind und Strömung, betanken unsere Schiffe, legen an, entladen, warten und starten erneut. Es entsteht ein meditativer Rhythmus, der erstaunlich befriedigend wirkt, solange keine Bugs dazwischenfunken.
Denn die gibt es derzeit zuhauf. Manche Missionen lassen sich nicht abschließen, andere führen zu Abstürzen oder merkwürdigen Glitches. In einigen Fällen verrutschen Container, Boote treiben davon, Schiffe spawnen auf Schiffen oder automatische Ausrichtungen funktionieren nicht. All das ist zwar typisch für ein Early-Access-Spiel, kann aber den Spielfluss empfindlich stören.
Trotzdem überzeugt das Spiel in seinen besten Momenten mit einer greifbaren Immersion: Wir wechseln fließend zwischen First- und Third-Person-Perspektive, bewegen uns frei auf dem Schiff und bedienen Maschinen, Türen und Schalter direkt. Die Bedienung über das Radialmenü ist intuitiv, und selbst komplexe Aufgaben wie das Manövrieren großer Schiffe lassen sich mit etwas Übung meistern.
Doch nicht alles ist perfekt: Die Steuerung schnellerer Boote reagiert träge, besonders bei Feuerwehr- oder Patrouillenmissionen, die Präzision erfordern. Hier wünscht man sich dringend Feinschliff, etwa eine angepasste Physik oder klarere Steuerungsoptionen. Auch das Balancing ist noch unausgewogen: Längere Missionen bringen kaum mehr Belohnung als kurze Routineaufträge, was die Motivation mindert. Scheibenwischer nur Deko ohne Funktion. Container die man auf sein Schiff geladen hat sind nicht die gleichen die man im Zielhafen ablädt bzw. löscht. Zudem müsste der Entwickler noch ein paar Rot/Grün Markierungen richtig setzen, die wir schon auf der gamescom bemängelt hatten.
Trotz aller Macken: Wer Freude an gemächlicher Simulation und Seefahrer-Atmosphäre hat, kann hier bereits viele Stunden verbringen. Die Mischung aus Arbeit, Erkundung und maritimer Ruhe entfaltet einen gewissen Sog besonders, wenn man die See einfach auf sich wirken lässt.
Unreal Engine trifft Nordsee
Technisch setzt Astragon auf die Unreal Engine 5 und NVIDIA WaveWorks 2.0 – und das zahlt sich optisch aus. Wenn die Sonne am Horizont versinkt, Wellen gegen den Rumpf schlagen und das Licht auf der Wasseroberfläche tanzt, dann entfaltet Seafarer eine beeindruckende Atmosphäre. Die dynamische Wetter- und Wellensimulation sorgt für abwechslungsreiche Bedingungen: ruhige Sonnenaufgänge, stürmische Nächte und dramatische Unwetter, die den Seegang realistisch beeinflussen.
Auch die Häfen und Schiffe sind detailliert gestaltet. Auf Deck finden wir zahlreiche interaktive Objekte, leuchtende Anzeigen, Werkzeuge und Steuerkonsolen. Besonders die Licht- und Reflexionseffekte schaffen Momente, in denen man einfach stehen bleibt und den Blick über das Meer schweifen lässt.
Allerdings ist der technische Zustand derzeit noch instabil. Pop-ins, Frameeinbrüche und nicht ladende Texturen, oder irgendwelche Beton-Balken auf hoher See stören das Erlebnis.
Kleine technische Ungereimtheiten, wie Regen, der durch Decken fällt, oder clipping Wasser an Frachtschiffen, sind aktuell Teil des Pakets. Sie trüben den Gesamteindruck, aber gleichzeitig ist klar: Die Basis ist da. Wenn Astragon an Performance, Ladeverhalten und Animationen feilt, könnte Seafarer in seiner finalen Version ein echter Hingucker werden.
Das Rauschen der Wellen
Klanglich zeigt Seafarer: The Ship Sim Licht und Schatten. Einerseits punktet das Spiel mit soliden Umgebungsgeräuschen: das Knarren des Rumpfs, das rhythmische Tosen der Wellen und das ferne Heulen von Schiffshörnern erzeugen eine glaubwürdige Kulisse. Auch die Sprachausgabe ist gelungen – mit deutschen und englischen Stimmen, die den Charakteren Persönlichkeit verleihen.
Allerdings mangelt es noch an Vielfalt. Die Soundkulisse wiederholt sich häufig, Musik und Umgebungsgeräusche könnten stärker variieren, um längere Fahrten spannender zu gestalten. Richtige Funksprüche oder Morsecodes fehlen komplett, wodurch manche Situationen leblos wirken und die Funksprüche die vorhanden sind wirken oft unpassend.
Trotzdem: Wer mit Kopfhörern spielt, wird das beruhigende Meeresrauschen schnell zu schätzen wissen. Es entsteht eine Stimmung zwischen Entspannung und Konzentration, genau das, was eine gute Simulation braucht.
The Review
Seafarer: The Ship Sim (PC)
Seafarer: The Ship Sim ist derzeit noch kein perfektes Schiff, aber ein solides Fundament. Astragon gelingt es, die Faszination ziviler Schifffahrt glaubwürdig einzufangen und mit einer offenen Welt, zwei Fraktionen und vielseitigen Missionen zu kombinieren. Das Spiel hat eine klare Vision und gerade das macht es spannend zu beobachten, wie sich diese Vision in den kommenden Monaten weiterentwickelt. Noch sind viele Systeme unfertig, Missionen unausgegoren und technische Probleme zahlreich. Doch gleichzeitig steckt in Seafarer genau das, was wir uns von einer modernen Simulation wünschen: Atmosphäre, Identität und das Gefühl, wirklich Teil einer maritimen Welt zu sein. Wir sehen hier kein sinkendes Schiff, sondern ein Projekt, das mit jedem Update Fahrt aufnehmen kann. Wer Early-Access-Projekte kennt und Geduld mitbringt, darf schon jetzt anheuern – alle anderen sollten lieber noch ein paar Wellen abwarten, bis die Vollversion 2026 in den Hafen einläuft.
PROS
- Atmosphärisches Spielerlebnis mit echtem Seefahrer-Flair
- Große, frei befahrbare Welt mit nordisch inspirierten Häfen
- Zwei unterschiedliche Fraktionen mit abwechslungsreichen Missionstypen
- Angenehm entschleunigtes Gameplay, ideal zum Abschalten
- Detaillierte Schiffe und authentische Lichtstimmung
CONS
- Unausgeglichenes Balancing zwischen kurzen und langen Missionen
- Kampagne noch sehr kurz und unfertig
- Steuerung schneller Boote zu träge und unpräzise
- Begrenzte Interaktionen mit der Crew, wenig Tiefgang im Management